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Bäume und umschlingende Pflanzen sind archetypische Mutter-Symbole.

C.G.Jung nennt Beispiele (alle aus Gesammelte Werke 5):

"Das Motiv des Umschlingens ist Muttersymbolik. Die verschlingenden Bäume sind zugleich gebärende Mütter. So sind in der griechischen Sage die Meliai nymphai die Eschen, die Mütter des ehernen Menschengeschlechtes.
...
Im Holz der Weltesche Yggdrasil verbirgt sich beim Weltuntergang ein Menschenpaar, von dem dann die Geschlechter der erneuerten Welt abstammen. Im Moment des Weltunterganges wird die Weltesche zur bewahrenden Mutter, zum Toten- und Lebensbaum ... . Aus dieser Wiedergeburtsfunktion der Weltesche wird auch das Bild klar, dem wir in dem Kapitel des Ägyptischen Totenbuches, das ‘Pforte von der Kenntnis der Seelen des Ostens’ heißt, begegnen:
‘Ich bin der Pilot in dem heiligen Kiele. Ich bin der Steuermann, der sich in dem Schiffe des Ra keine Ruhe gönnt. Ich kenne jenen Baum von smaragdgrüner Farbe, aus dessen Mitte Ra emporsteigt zur Wolkenhöhe.’
Schiff und Baum (Totenschiff und Totenbaum) sind hier nahe beisammen. Das Bild sagt, dass Ra aus dem Baum geboren emporstieg. Auf die gleiche Art ist wohl die Darstellung des Sonnengottes Mithras zu deuten, welcher auf dem Heddernheimer Relief zu halbem Leibe aus dem Wipfel eines Baumes emporragt." (§§ 367, 368)

"Javanische Stämme pflegten ihr Gottesbild in einer künstlichen Aushöhlung eines Baumes aufzustellen. Im persischen Mythus ist der weiße Haoma ein himmlischer Baum, der im See Vourukasha wächst, der Fisch Kharmâhî kreist schützend um ihn und verteidigt ihn gegen die Kröte Ahrimans. Er gibt ewiges Leben, den Frauen Kinder, den Mädchen Gatten und den Männern Rosse." (S. 314, Fußnote 77)

"So wie man mythisch die Abstammung des Menschen aus Bäumen behauptete, so bestanden auch Bestattungsgebräuche, wonach man sie in hohlen Bäumen bestattete, weshalb bis jetzt der Ausdruck ‘Totenbaum’ für Sarg vorkommt. Wenn man berücksichtigt, dass der Baum überwiegend ein Muttersymbol ist, so erscheint der Sinn dieser Bestattungsweise als verständlich: Der Tote wird gewissermaßen in die Mutter eingeschlossen zur Wiedergeburt." (§ 349)

Dafür spricht auch die Etymologie des lateinischen Wortes materia, das sich von mater "Mutter" ableitet. Grundbedeutung von materia (von dem unsere Fremdwörter Materie und Material kommen) ist "Holz", dann auch "Bauholz" und schließlich "(Bau)material", "Stoff (woraus etwas hergestellt wird)" schlechthin.
Für die angeborene Vorstellung von der Weiblichkeit und Mütterlichkeit der Bäume spricht auch, dass im Lateinischen und Griechischen Baumnamen, die der o-Deklination angehören und eigentlich männlich sein müssten, durchgängig weibliches Genus haben; zum Beispiel pirus alta "der hohe Birnbaum", amictae vitibus ulmi "von Reben umrankte Ulmen". "Das weibliche Geschlecht der Baumnamen auf -us wie fagus "Buche", ulmus "Ulme", ornus "Bergesche" (und ebenso der griechischen auf -os) versucht man durch Symbolik zu erklären: der Baum als ‘Gebärerin’ gegenüber der Frucht als dem ‘Geborenen’ (pirum "Birne", malum "Apfel", cornum "Kornelkirsche", cerasum "Kirsche" Neutra wie teknon "Kind")." (1)

Als ein Beispiel für das Motiv des Umrankens und Umschlingens erwähnt C.G.Jung Dornröschen (§ 362). Dieses Märchen ist eine Parabel für die Sehnsucht des Kindes, nicht erwachsen werden und nicht aus der mütterlichen Geborgenheit in die Welt hinaustreten und heiraten zu müssen. Die Dornen, die Dornröschens Schloss umranken und verhindern, dass ein Mann zu ihr durchdringt, symbolisieren die Geborgenheit, mit der eine Mutter ihr Kind umgibt, es von allem Bösen abschirmt, aber auch an sich bindet und nicht selbständig werden lässt.

Als weitere Beispiele nennt Jung:

"die Sage von dem Mädchen, das zwischen Rinde und Holz eingeschlossen ist. Eine primitive Sage berichtet vom Sonnenhelden, wie er aus Schlinggewächsen befreit werden muss. Ein Mädchen träumt von ihrem Liebhaber, er sei ins Wasser gefallen, sie versucht ihn zu retten, hat aber zuerst Tang und Seegras aus dem Wasser zu ziehen, dann erwischt sie ihn. In einer afrikanischen Sage muss der Held nach seiner Tat erst aus dem Tang ausgewickelt werden."        (§ 362)

1) Anton Scherer: Handbuch der lateinischen Syntax. Heidelberg 1975, S. 32 - Die deutschen Übersetzungen der Bäume und Früchte sind von mir, G.W., eingefügt worden.

Beispiele bei Zwetajewa:
Verse an eine Waise (2)
Verse an eine Waise (3)
Fein und zart...

Beispiele bei anderen Autoren:

Homer: Odyssee 5, 462-493
Homer: Odyssee 23, 177-206 (Das Bett des Odysseus)

   
 
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