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Beim Zahnarzt

Der neue Zahnarzt sah so lieb aus! Kleine, zierliche Gestalt, bräunliche Haut, früher Beginn der Glatzenbildung, muntere braune Knopfaugen. Der kann doch kein Sadist sein! Seine Assistentin war das Gegenteil: blond, energisches Gesicht, größer als er, stämmig, Brünhildentyp. Sie duzten sich, und ich hatte bald raus: Sie war seine Frau. Ständig kritisierte sie ihn, schlug andere Behandlungsmaßnahmen vor, aber er war nun mal zum Arzt ausgebildet und sie nur zur Assistentin. Er fuhr ihr über den Mund und machte, was er für richtig hielt.
Ein Zahn musste gezogen werden. Er betäubte ihn mit einer Spritze. Sie kritisierte ihn wieder aufdringlich, die eine Spritze würde nicht reichen, er müsse noch eine zweite Spritze auf der anderen Seite geben, sonst sei der Zahn nicht richtig betäubt.
"Unsinn!" widersprach er, rüttelte und kratzte zur Probe heftig mit dem Haken seines bleistiftgroßen Instruments an dem Zahn und fragte mich, ob ich etwas spüre.
Um ehrlich zu sein: Ich spürte nichts. Wirklich gar nichts.
Aber ich hatte Angst. Wenn beim Ziehen doch... Doppelt genäht hält besser! Also antwortete ich: "Ja, es tut noch weh." "Siehst du!" rief sie triumphierend, er fiel aus allen Wolken, errötete, und mein Zahn bekam eine zweite Spritze.

   
 
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